Wo ist unsere Heimat

Karte Bevoelkerung Siebenbuergen kleinWo ist unsere Heimat, frug mich mein Kind,
ist sie dort, wo wir geboren sind?
Ist sie dort, wo wir unsere Jugend verträumt,
oder in der Stadt von Bergen umsäumt?
Nein, sprach ich, wo ihr geboren, waren wir Gäste,
fremd war uns das Volk und fremd seine Feste.
Wo eure Kindheit so sorgenlos,
auch dort sind wir nur Gäste bloß.
Die Wurzel, die euch und uns verband,
sie liegt im Siebenbürgerland.
Das Volk der Sachsen sind eure Ahnen,
die einst aus deutschen Landen kamen.
Dort ist eure Heimat, dort unter der Zinne
liegt das schöne Kronstadt, und manche Ruine
kündet der Väter tapfere Wehr,
zum Ruhme des Volkes und euch zur Ehr.

Amalie Teutsch - Wien, am 28. Mai 1937

Begriffe wie Identität oder Zugehörigkeit verlieren ausgerechnet in Deutschland ihre Bedeutung - dem Land das die Sachsen vor jeher als ihr Mutterland betrachten. Hier werden sie völlig unerwartet, mit einem andern, gespaltenen oder zumindest vorsichtigen Deutsch sein konfrontiert.

Liebe Leser und Kleinschenker!

Es liegt mir sehr am Herzen Ihnen ein paar Worte zu einem besonderen Anlass zu schreiben. Eine Heimat zu haben und dort in der Gemeinschaft verankert zu sein, zählt zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Dies wissen vor allem diejenigen Siebenbürger und Kleinschenker die nach dem zweiten Weltkrieg aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen worden sind und durch Verschleppung zur Zwangsarbeit nach Russland oder von seinem Eigentum enteignet oder vertrieben worden ist. Nach der Nachkriegszeit in Siebenbürgen und am meisten in den Gemeinden und Dörfer Siebenbürgens, waren die verschiedenen Feste, ein besonderer Anlass, um die tiefe Verbundenheit zum Gemeinschaftsleben zu betonen und fest zu halten. Heute sind unsere Siebenbürger Sachsen in alle Himmelsrichtungen verstreut und es gibt sie auch weiterhin die tiefe Verbundenheit mit ihren heimatlichen Wurzeln um die Erinnerung daran wach zu halten. Unsere Vergangenheit begleitet uns täglich denn sie hat uns auf Grund durch verlassen unserer Heimatorte, mit unseren Erfahrungen, Erlebnissen und Erkenntnissen geformt. Wir erinnern uns oft an vergangene Situationen, sprechen von Gestern, von Früher, wir hadern, trauern und sehnen uns nach schönen Erlebnissen. Wir wissen, dass wir - offiziell – nichts an unserer Vergangenheit ändern können dass es nun so geschehen ist. Trotzdem schweifen wir mit unserem Bewusstsein wieder in die Vergangenheit. Die Emotionen und Gefühle die mit Erinnerungen verbunden sind haben und geben uns viel Kraft.

Liebe Leser und liebe Kleinschenker, so ein Erlebnis aus unserer Vergangenheit möchte ich in Ihnen wachrufen. Man schrieb das Jahr 1969, ein Jahr wie jedes andere nicht auszuschließen die Höhen und die Tiefen in unserem Dorfleben in Kleinschenk. Es erfüllen 40. Jahre seid diesem großen Ereignis. Wir alle die zu der Zeit in unserer Heimatgemeinde lebten, durften uns gemeinsam auf das Erlebnis freuen. Sie werden jetzt innehalten und nachdenken. Was war in diesem Jahr 1969? Was war das Besondere? Vielleicht haben Sie es vergessen oder es kommt Ihnen nicht in den Sinn. Ist diese Erinnerung schon verblasst? Nein, sie lebt noch in unseren Herzen und Gedächtnis weiter. Dieses Fest war lange Zeit das Gesprächthema Nr. 1. in unserer Kirchengemeinde. Liebe Leser und liebe Kleinschenker, der Peter und Paulstag 1969 war mit einem großen Fest verbunden. Man hatte schon Monate im Voraus geplant, besprochen, gesucht und festgestellt man müsste dieses Fest nach 20 Jahren Auszeit wieder wachrufen. Mein Großvater Karl Kauffmann Nr. 85, („Karlonkel“, „Notarres“ oder „Herr Notär – Notar“) wie man ihn nannte, war in der Zeit als Kurator in unserer Kirchengemeinde Kleinschenk ehrenamtlich tätig.

Zusammen mit Herrn Pfarrer Gerhard Binder und dem gesamten Presbyterium versuchten sie einen alten Brauch wieder zu beleben. Die Vorbereitungen zu diesem Fest waren auch mit ein paar Schwierigkeiten verbunden. Die Beschaffung der beiden Eichenstämme die schön und grade sein sollten aber nach langer Suche und durchforsten der Kleinschenker Wälder wurden sie mit Hilfe des damaligen Förster gefunden. Sie wurden ins Dorf transportiert wo die Eichenrinde dann von bereitwilligen Männern und Burschen abgeschält wurden um einen glatten Stamm zu erhalten. Ein anders Problem war die Fertigung der Skelette von den Kronen das aus Eisen bestand. Dies erfolgte mit Hilfe von Andreas Schneider Nr. 91. Das Eichenlaub und die vielen Wiesenblumen wurden von den Schulkindern und Jugendlichen gepflückt und zu den Kronen gebracht, wo am nächsten Tage das Binden stattfand. Dies geschah mit Hilfe der Mütter und jungen Frauen der Gemeinde. In der Zeit als die Kronen gebunden wurden hatten die Burschen und junge Männer mit dem Ausheben der Gruben (Löcher) für die beiden Kronen zu tun. Nach Bewältigung dieser Arbeiten wurde die Spannung und die Emotionen immer größer, man fragte sich ob die beiden Kletterer es auch schaffen würden auf die glatten Stämme raufzuklettern? Dieses Fest war ja für viele Kleinschenker eine Sensation und ein jeder wollte sein Bestes geben. Auch wir Jugendliche waren so voller Tatendrang und halfen überrall mit.

Nach Aufstellung der beiden Kronen am Sonntag den 29. Juni 1969, verbunden mit viel Spannung und entgegenfiebern des Festes war es nun so weit. Als ich den Kirchenhof in Kleinschenk betrat, die vielen Jugendliche sah, bot sich mir ein schönes Bild das bis heute fest in meinem Herzen verankert hat. Die Burschen sowie die Mädels waren in den schönen schwarz-weißen Trachten mit den gestickten Schürzen und Samtleibchen erschienen. Welch ein herrliches Bild! Nach Beendigung der Sonntagsandacht war es dann so weit. Die beiden Kletterer Bernhard Kirr Nr. 95 und Hans Schwab Nr. 89. waren so aufgeregt wie auch wir Jugendliche die unter den Kronen tanzten sollten. Aber Gott sei Dank es war geschafft. Ein Fest wurde wieder wachgerufen und mit so vielen Emotionen und Spannungen wurde es ein schönes Fest. Auch der liebe Herrgott hatte mit uns Kleinschenker ein Einsehen. Er beschenkte uns mit einem wunderschönen Sommertag mit vielen Zuschauern von nah und fern sich eingefunden hatten die Sensation am 29. Juni 1969 nicht entgehen zu lassen. Es war für alle Anwesenden ein Anlass zusammenzukommen, sich gemeinsam des ursprünglichen Brauchtums der 20 Jahre nicht mehr gepflegt wurde wieder wach zu rufen. In diesem Jahr erfüllen sich 40. Jahre seid dieses Fest ins Leben gerufen worden war. Wie die Jahre vergehen merkt man erst, wenn man in den alten Familienalben blättert und es sind schon wieder fast 20 Jahre vergangen das dieses Fest in Kleinschenk nicht mehr stattfindet. Im Jahr 1989 wurde das letzte Kronenfest gefeiert vor dem „Großen Exodus“ der Siebenbürger. Ich hoffe liebe Leser und liebe Kleinschenker dass ich Ihnen die Erinnerung an dieses Fest wieder wachgerufen habe. Es sind schöne Erinnerungen und die wollen wir auch weiterhin in unserem Herze behalten, vergessen wir unsere Wurzeln aus Kleinschenk nicht. Weiterhin wollen wir auch die Erinnerung an die „Alte Heimat“ wach halten, wenn auch der Zahn der Zeit an unsrer Geschichte nagt.

In heimatlicher Verbundenheit verbleibe ich mit den guten Wüschen,
Marianne Folberth geb. Kauffmann

 

„Von einem Ort aufbrechen, auf dem Weg zu einem anderen sein – das ist die Geschichte eines jeden von uns.“
(H. D. Thoreau)

 

Die Rede von Karl Kauffmann (Nr. 85) am Kronenfest vom 29. Juni 1969.

Liebe Schwestern und Brüder! Liebe Jugend, liebe Gäste von auswärts!
Mit freudigem Herzen und mit voller Genugtuung können wir heute ausrufen;

„Gott sei Lob und Dank unsere Peter und Pauls – Krone ist wieder erstanden.“

Im Namen des Presbyteriums danke ich in dieser feierlichen Stunde allen aus ganzem Herzen die zur Verwirklichung dieser erhebenden Feier beigetragen haben. Vor allem unserer Jugend und Schulkinder die mit voller Begeisterung an die Arbeit herangegangen sind. Einen herzlichen Dank unseren jungen Frauen die es nicht gescheut haben sich in die Arbeit einzuschalten um die Freude der Kinder zu vergrößern. Es hat wohl Schwierigkeiten gegeben mit der Anschaffung der beiden Eichenstämme. Dem Presbyterium ist es gelungen die Schwierigkeiten zu beseitigen und hat trotzdem sein Ziel erreicht. Einen besonderen Dank gebührt hier für die Fertigstellung der Krone dem Kirchenvater Andreas Theil, den Nachbarvätern Orendi Michael u. Theil Andreas. Ein besonderer Dank aber unserem jungen Nachbar und Mitglied der Gemeindevertretung Andreas Schneider, der die wertvollste Arbeit geleistet hat. Ich kann nicht alle nennen, denn die Reihe wäre zu lang.

Das Gespräch über die Peter und Paulskrone war in den vergangenen Tagen das Hauptthema. Da tauchte immer wieder die Frage auf etwas über den Ursprung dieser Krone zu erfahren und zu sagen. Der Ursprung reicht sehr weit zurück und zwar bis in die Heidenzeit. Damals wurde dieser Tag am 21 Juni gefeiert, am Tage der Sommer Sonnenwende. Ich glaube dieser Brauch hat auch zur körperlichen Ertüchtigung beigetragen. Man muss bedenken das, dass Hinaufklettern nicht eine einfache Sache ist. Mit dem Einzug des Christentums in die deutschen Lande wurde dieser Brauch auch übernommen und wurde als „Kirchliches Fest“ weiter im Leben behalten. Am häufigsten wird sie als Johanniskrone in den meisten Ortschaften unseres Sachsenlandes gefeiert, zum Gedenken an den Geburtstag Johannes des Täufer der auf den 24 Juni fällt. In Kleinschenk wird dies Fest zu Ehren der 2 Apostel, Peter und Paul gefeiert den 29 Juni.

Liebe Festversammlung, wie ich schon erwähnt hatte war das Hauptgespräch des Tages unsere heutige Feier. Es gab ein Dafür und Dagegen der Wiedereinführung des heutigen Festes. Die kirchliche Leitung vertrat hier den Standpunkt, dass die Einführung und Beibehaltung, alter Traditionen, Sitten und Bräuche „Schlingen ein einigendes Band um alle seine Burgen“. Diese Sitten und Bräuche sind der Halt der uns noch enger zusammenschließt und zusammenhält. Sie schärfen dass Zusammengehörigkeits-Gefühl. Dies ist der Zweck der Aufrechterhaltung unserer Sitten und Bräuche. Dass sie diesen Zweck erfüllen bezeugt die Tatsache dass sich heute jung und alt um unsere Krone versammelt hat. Dieses vollzählige Erscheinen bekräftigt dieses Fest das fortbestehen soll. Es wäre zu wünschen dass der Drang für das Weiterbestehen dieses schönen Festes in jedem Herzen wach bleibe damit es fortgepflanzt werde in die Herzen unserer Kinder und Enkelkinder. Sollten wir dies verwirklichen so erfüllen wir ein Vermächtnis unseres sächsischen Dichters, Michael Albert der uns in seinem Gedicht ermahnt:

„Deiner Sprache, deiner Sitte,
Deinen Toten bleibe treu.
Steh in deines Volkes Mitte,
Was sein Schicksal immer sei.“

Gott der Herr möge uns die Kraft und den Mut dazu geben.


Es folgt das Lied „Siebenbürgen Land des Segens.

Bilder vom Kronenfest aus Kleinschenk